Leben mit ADS/ADHS – Interview mit Lina

Vor kurzem haben wir einen kleinen Aufruf gemacht und gefragt, wer Lust hätte, sein Erfahrungen zum Thema Autismus/ ADHS /ADS mit uns zu teilen und damit zu helfen für mehr Verständnis zu sorgen. Die Liebe Lina hat sich gemeldet. Sie hat ADS und teilt ihre Erfahrungen in einem Interview mit uns.

Liebe Lina, erzähle bitte ein bisschen von Dir. Wie alt bist Du und welche Diagnose hast Du erhalten? Wann hast Du die Diagnose bekommen?

Mein Name ist Lina, ich bin 23 Jahre alt und habe die Diagnose ADS erhalten. Mit 10 Jahren bekam ich die Diagnose in einem SPZ eines Krankenhauses. Verdacht auf Autismus besteht auch.

Wie und wann wurde bemerkt, dass Du ADS haben könntest?

Schon wo ich ein Baby war merkten meine Eltern, dass ich sehr sensibel bin und ständig unter Strom stehe. Ich war als Kind besonders bei taktilen Reizen empfindlich. Zusätzlich hatte ich eine Entwicklungsstörung in der Motorik und der Wahrnehmung.

Wie war die Zeit bzw. wie waren Deine Alltagserfahrungen vom ersten Verdacht bis hin zur endgültigen Diagnose?

Als Kind habe ich teilweise darunter gelitten nicht zu sein wie die anderen Kinder in der Klasse. Ich benötigte viel Unterstützung von außen, um meinen Alltag meistern zu können. Als Kind war mir gar nicht bewusst, dass ich eine Diagnose namens ADS habe.

Gibt es Dinge, die Dir durch den ADHS/ Autismus schwerfallen?

Es fällt mir schwer mit meinem ADS und meinem Verdacht auf Autismus schwer, mich bei vielen Reizen zu entspannen. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und tue mich manchmal schwer, angemessen auf andere Menschen zu reagieren. Außerdem bin ich schnell abgelenkt und falle anderen ins Wort. Durch meine besondere Wahrnehmung fällt mir vieles auf, was andere nicht bemerken. Dadurch bekomme ich wiederum anderes nicht mit uns muss dann nochmal nachfragen. Ebenfalls fällt es mir oft schwer die Hierarchie einer Freundschaft zu verstehen, genauso wie den Menschen um mich herum. Ironie verstehe ich oft nicht. Ich betreibe im stressigen Alltag viel Stimming, um mich vor einer Reizüberflutung zu schützen. Ebenso habe ich das Problem, dass ich zu viel oder zu laut spreche! Ich kann schnell meine Impulskontrolle verlieren.

Wie verlief Deine Schulzeit? Wie hat sich Dein ADHS bemerkbar gemacht? Was lief gut, was nicht so gut?

In der Schule habe ich mich nicht sehr gut auf den Schulstoff konzentrieren können. Außerdem benötigte ich immer eine Unterstützung vom Lehrer, vor allem beim Basteln, beim Schreiben und im Sportunterricht. Ich war leicht reizbar und schnell emotional. In jedem Jahrgang hatte ich immer nur eine Freundin, in der Oberschule meistens jüngere Freunde und keine aus der Klasse! In der gesamten Schulzeit hab ich viel Mobbing erlebt. Gut lief, dass ich die Schule geschafft habe und heute als Erzieherin mit Kindern arbeiten kann! Was ich in der Schule noch gut konnte, waren Gedichte schreiben, lernen und aufsagen. Ich habe eine poetische Ader…

Wie gestaltest Du Deinen Alltag? Gibt es Dinge, auf die Du besonders achten musst?

Mein Alltag ist sehr chaotisch…Oft vergesse ich wichtige Dinge! Ich muss viel Stimming betreiben, um mich vor der täglichen Reizüberflutung zu schützen! Außerdem benötige ich immer stets einen Antrieb von außen, da mein Gehirn anders funktioniert als das von neurotypischen Menschen! Zusätzlich habe ich diverse Zwänge und Ängste entwickelt, die mir das Leben und den Alltag erschweren! Mein Tag ist ein tägliches durchwurschteln und ich wünschte, er wäre einfacher zu bewältigen. Ich habe viele Hobbys im künstlerischen Bereich, welche einen Großteil meiner Freizeit einnehmen! Worauf ich sehr stark achten muss, ist das wirkliche Erledigen von alltäglichen Dingen, die andere von vornherein als selbstverständlich empfinden sie zu erledigen. Wie z.B. aufräumen, trinken und duschen (habe ich als Kind nicht als wichtig empfunden).

Gibt es etwas, das Du Dir von Deinen Mitmenschen wünschst?

Von meinem Mitmenschen wünsche ich mir mehr Verständnis und Hilfe! Psychische/neurobiologische Störungen werden nämlich oft nicht erkannt oder ernst genommen….

Ist Dir sonst noch etwas wichtig zu sagen?

Ich möchte sagen, dass wir als Gesellschaft ganzheitliches lernen vermitteln und Bildung generell inklusiver gestalten müssen! Jedes Kind soll die Möglichkeit haben am Leben teilnehmen zu können, egal mit welchen Voraussetzungen es auf die Welt gekommen ist.

Vielen Dank liebe Lina für dieses Interview und Deine Bereitschaft diesen Teil Deines Lebens mit uns zu teilen.

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